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Spotlight-Effekt: stehe ich tatsächlich im Rampenlicht?

“Alle werden sehen, was in meiner Tasche drin ist. Wie peinlich”, dachte ich, als der Sicherheitsmitarbeiter mich bat, meine Tasche aufzumachen. Der Spotlight-Effekt hat mich auch diesmal fast zum Schwitzen gebracht.

Im Rampenlicht

San Francisco. Die sauberen T-Shirts meines Sohnes neigen sich dem Ende zu. Als logische Konsequenz folgt eine Shopping-Tour. Die Idee, dreckige Wäsche zu waschen, findet bei mir keinen Zuspruch. Wir plappern erfolglos von einem Laden zum anderen. Beim Verlassen des nächsten Ladens piepst es.

Der Sicherheitsmitarbeiter schaut mich aus der Entfernung an und gibt mir ein Zeichen, weiterzugehen. Das reicht mir nicht. Ich muss ihm beweisen, dass ich nichts gestohlen habe. Nicht einmal ein T-Shirt für meinen Sohn, obwohl er dringend eines bräuchte. Aus dem Bauch heraus entscheide ich mich, noch einmal durch die Schranke zu gehen. Es piepst wieder. Diesmal bleibt dem Sicherheitsmitarbeiter nichts anderes übrig, als mich genau unter die Lupe zu nehmen. Eine mindestens anderthalb Köpfe größere und muskulöse Gestalt nähert sich mir.

Instinktiv mache ich meine Tasche auf und mir fällt ein, was in meiner Seitentasche steckt. Meine innere Stimme sagt: Renn, Maria! Renne so schnell du kannst. Meine Beine machen nicht mit. Für den Flug habe ich etwas eingepackt, das ich nicht gebraucht habe. Gut, dass es frisch ist. Es würde sonst den Grad der Peinlichkeit steigern.

Eine außerordentlich „schöne“ Unterhose, die besonders bei Omas beliebt ist. Extrem bequem und mindestens zwei Größen größer, als ich brauche. Für den Fall, den ich noch nie hatte. Man weiß ja nicht, was einem im Leben passieren kann. Für die Kinder packe ich auch immer frische Unterwäsche ein. Warum nicht auch für mich?

Ich mache schnell meine Tasche auf und zu, versuche unschuldig auszusehen. Währenddessen rasen Gedanken durch meinen Kopf. Im Optimalfall soll der Sicherheitsmitarbeiter nichts davon mitbekommen. Falls doch, wie bringe ich meine Unterhose am geschicktesten zum Vorschein? Damit nicht die ganze Welt mich dabei anschaut…

Ich denke an den Spotlight-Effekt und atme erleichtert aus.

Spotlight-Effekt

Was ist der Spotlight-Effekt?

Unser Gehirn verarbeitet ständig Informationen und verleiht ihnen Bedeutung und Priorität. Wenn etwas uns persönlich betrifft, stuft das Gehirn diese als äußerst wichtig ein. Überleben hat die höchste Priorität.

Es funktioniert in etwa so: „Oh, das ist eine blöde Situation. Was ist, wenn die anderen Menschen das mitbekommen? Vielleicht teilen sie dann das Essen nicht mehr mit mir? Oder ich verliere die Position, die ich in der Gruppe momentan habe?“ Auch wenn wir jetzt nicht mehr im Steinzeitalter leben, arbeitet unser Gehirn immer noch genauso.

In der Realität sind die meisten Menschen mit sich selbst und ihren eigenen Sorgen beschäftigt. Sie bekommen kaum mit, was um sie herum passiert. Selbst wenn sie unser Missgeschick bemerken, vergessen sie es sehr schnell. Unser Gehirn führt uns jedoch in die Irre und zwingt uns zu denken, dass wir ständig beobachtet werden.

Der Spotlight-Effekt ist die Neigung der Menschen, die Aufmerksamkeit zu überschätzen, die andere ihrem Verhalten und Aussehen schenken.

„Oh, ich habe einen riesigen Fleck auf meinem Hemd und alle schauen darauf.“

„Was werden die Menschen über mich denken?“

„Ich habe mich verplappert. Was denkt er jetzt über mich?“

„Ich habe ein neues Kleid und alle bewundern mich.“

Spotlight-Effekt: ich muss Gesicht vor mir selber wahren

Während ich im Laden stand, habe ich mich im Zentrum der Aufmerksamkeit gefühlt. Mein Ruf schien bedroht. Wie kann es sein, dass ich solche Unterwäsche dabei habe? Was werden alle anderen denken, wenn sie diese sehen? Objektiv gesehen kannte ich dort niemanden und sollte mir um meinen Ruf keine Sorgen machen.

Viel wichtiger ist, wie wir uns selbst sehen und beurteilen. Unser innerer Kritiker ist oft strenger als die Außenwelt. Wir wollen unser Selbstwertgefühl und unser Selbstbild schützen, indem wir vermeiden, in peinliche oder unangenehme Situationen zu geraten, die uns selbst negativ beeinflussen könnten.

Studie zum Spotlight-Effekt

Beweise für den Spotlight-Effekt finden wir in Studien von Thomas Gilovich und seinen Kollegen.

Die ausgewählten Studenten wurden gebeten, ein T-Shirt mit dem Bild eines als peinlich empfundenen Sängers zu tragen. Auf dem T-Shirt war Barry Manilow zu sehen. Es ist in etwa so, als würde man heutzutage ein T-Shirt mit Dieter Bohlen tragen. Die Testpersonen sollten einen Raum betreten, in dem bereits andere Studenten – Beobachter – versammelt waren. Die Testpersonen klopften an die Tür, gingen kurz zu ihrem Stuhl und wurden gebeten, den Raum wieder zu verlassen, bevor sie sich setzen konnten.

Einen Moment später wurden beide Seiten befragt. Die Testpersonen sollten einschätzen, wie viele der Studenten im Raum bemerkt hatten, wer auf ihrem T-Shirt abgebildet war. Die Beobachter sollten angeben, wer auf dem T-Shirt der Testperson zu sehen war.

Die Schätzung der Testpersonen lag bei etwa 46%. In Wirklichkeit lag diese Zahl bei 23%. In weiteren Studien trugen die Testpersonen T-Shirts mit weniger auffälligen Persönlichkeiten. Die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Realität lag diesmal bei 40%.

Die Studien haben gezeigt, dass die Aufmerksamkeit überschätzt wurde. Menschen neigen dazu, zu glauben, dass das soziale Rampenlicht heller auf sie scheint, als es tatsächlich der Fall ist.

Warum entsteht dieses Phänomen?

Der Spotlight-Effekt ist größtenteils ein Ergebnis von Egozentrismus. Die meiste Zeit sind wir auf uns selbst fokussiert, was zu der unbewussten Annahme führt, dass wir für andere genauso wichtig sind wie für uns selbst.

Dieses Phänomen entsteht bereits in der Kindheit. Mütter lassen ihre Kinder nicht aus den Augen, um sie vor Gefahren zu schützen und geben ihnen ständig Feedback darüber, was sie richtig und was sie falsch machen.

Kinder bekommen von klein auf häufig zu hören:

  • „Iss ordentlich!“
  • „Rücken gerade!“
  • „Vorsicht! Eine Pfütze!“
  • „Schon wieder nicht aufgeräumt?!?“

Leider wird negativen Taten oft mehr Bedeutung beigemessen, was den Eindruck verstärkt, dass wir uns ständig unter Beobachtung befinden.

Wir sind der Mittelpunkt unserer eigenen Welt und die Haupthelden der Filme, die nur in unseren Köpfen stattfinden. Aus diesem Grund spielen unsere eigenen Taten und Worte eine große Rolle. Andere Menschen sind jedoch mit ihren eigenen „Filmen“ beschäftigt und haben meist kein Interesse an unserem.

Die Studien haben gezeigt, dass die Aufmerksamkeit überschätzt wurde. Menschen neigen dazu, zu glauben, dass das soziale Rampenlicht heller auf sie scheint, als es tatsächlich der Fall ist.

Was dagegen tun? Was hat das mit Business zu tun?

Wenn wir an Content für unsere Projekte arbeiten, gehen wir oft davon aus, dass er viel Aufmerksamkeit erregen wird. Wir denken: „Es ist wichtig für mich und sollte daher auch wichtig für dich sein.“ Wir überschätzen die Aufmerksamkeit, die andere unseren Projekten oder Ideen schenken werden.

Ich habe das selbst in meinem Business schon mehrfach erlebt. Ich habe die besten Reels erstellt und naiv erwartet, dass ich damit für viel Aufregung sorgen würde.

Die Menschen interessieren sich nicht für unseren Content

In der Realität habe ich jedoch kaum Aufmerksamkeit bekommen. Jeder ist mit sich selbst und seinem eigenen Content beschäftigt. Die Menschen leben in ihrer eigenen Gedankenblase. Selbst wenn wir es schaffen, durch diese Blase durchzudringen, bleiben wir nicht lange in ihren Köpfen.

Der Spotlight-Effekt ist einer der Gründe, warum wir uns nicht trauen, Dinge zu tun, die unser Herz schneller schlagen lassen. Wenn wir uns bewusst machen, dass niemand so viel Aufmerksamkeit schenkt wie wir denken, geben wir uns selbst die Erlaubnis, mehr auszuprobieren und Content zu posten, den wir wirklich zeigen und erzählen möchten. Ohne meine eigene Geschichte wäre dieser Beitrag langweilig und würde sich nicht von hunderten anderen Beiträgen zu diesem Thema unterscheiden.

Der erste und wichtigste Schritt ist, sich bewusst zu machen, dass man unter dem Einfluss des Spotlight-Effekts steht. In meinem Fall hätte ich mein kleines Abenteuer in eine witzige Geschichte umwandeln können: „Halt, die Kinder! Mama holt jetzt gerade ihre Schlüpfer raus. Schaut genau hin, der Sicherheitsbeamte wird sicher lachen. Mal sehen, wie er darauf reagiert.“

Atme aus! Sei der Held in deinem eigenen Kino!

Wenn du dich fragst, wie meine Geschichte ausgegangen ist, muss ich dich leider enttäuschen. Das große Kino lief nur in meinem Kopf ab. Der Sicherheitsbeamte hat mich ausdrücklich gefragt, was sich in der kleineren inneren Tasche versteckt. Er hat etwas aus Stoff gesehen und dachte, dass er einer Spur folgt. Ich habe leise gemurmelt, dass es Schlüpfer sind. Ich weiß nicht, was er gedacht hat. In so einer unklaren Situation wollte er sich nicht weiter einmischen. Ein bisschen bereue ich, dass ich diesen Teil nicht der ganzen Welt gezeigt habe. Das Leben ist zu kurz, um sich Gedanken darüber zu machen, was andere denken.

Hallo, ich bin Maria!

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